Wolfgang, einer unserer Skyfool-Gründer fliegt nicht mehr soviel, dafür hat er ein neues Hobby: Laufen. Damit die Geschichte nicht ganz Off-Toppic wird, habe ich mir erlaubt ein paar Bilder von seinem 1500m Flug in Boppard dazwischen zu mogeln. -Klaus
Was macht ein Marathonläufer, wenn er das Gefühl hat, dass er nicht mehr viel schneller werden kann? Er versucht die gelaufene Strecke zu verlängern, um somit die gebührende Anerkennung zu bekommen. Wer so verrückt ist, 42 km zu laufen, der kann auch noch mehr.
Bei der Auswahl einer geeigneten Strecke fiel bei mir die Wahl auf den Rennsteig. Der Rennsteig ist ein Lauf, bei dem selbst erfahrene Läufer kurz ehrfurchtsvoll verstummen. Der und kein anderer muss es sein.
Eine Vorbereitung auf einen solchen Lauf verläuft schon anders als bei einem Marathon. Hier gilt es erst mal Kilometer zu fressen. Lange Läufe sollten dann auch schon mal über die Marathondistanz gehen, und in das normale Training integriert werden. Leider konnte ich dieses Jahr erst spät mit der heißen Phase beginnen und konnte nicht ganz so viel Laufen wie nötig. Dennoch waren zumindest zwei Wochen drin mit jeweils deutlich mehr als 100 km.
Die letzten drei Wochen habe ich mich dann auf den Bopparder Stadtwald beschränkt, um auf der einen Seite Waldwege zu üben und auf der anderen Seite noch viele Höhenmeter zu vernichten.
Mit einem guten Gefühl und meiner ganzen Familie ging es dann am Freitag nach Christi Himmelfahrt nach Eisenach. Am Mittwoch vorher konnte ich natürlich beim Mailauf noch meine Fitness testen und habe zum ersten mal unter 20 Minuten die Ziellinie überschritten. Im Thüringer Wald ist so einiges anders, als bei anderen Läufen. Statt Nudelparty und Iso Getränke gibt es am Vorabend Klöße und Schwarzbier – und dennoch startet der Lauf am nächsten morgen um 6:00 in der Frühe.
Was zieht man bei einem solchen Lauf an? Normalerweise sind lange Klamotten angesagt, aber der Wetterbericht meinte, dass es durchaus mehr als 20 Grad haben könnte. Doch kurz? Wie schaut es in 900 m Höhe aus? Wird es kalt, windig? Ich frage einen Läufer, der für meinen alten Verein in Zweibrücken startet. Er will kurze Sache tragen – was sich im Nachhinein auch als sinnvoll gezeigt hat, er ist als 8. nach nur 5 dreiviertel Stunden im Ziel gewesen.
Ich entscheide mich auch für kurze Sachen – eine gute Wahl wie sich zeigen sollte.
Am Start habe ich mich mit Benno verabredet. Wir wollen ganz hinten starten und erst mal abwarten, was denn der Tag so bringt. Der Start verläuft trotz der 1800 Teilnehmer reibungslos wir sind nach 6 Minuten auch über der Startlinie – mit uns starten nur noch die Läufer, die Hunde mit dabei haben, wir lassen es langsam angehen – es wird noch lange genug dauern, bis wir im Ziel sind.
Die Strecke geht zuerst durch die Fußgängerzone, um dann schnell in den Wald zu führen. Der erste Anstieg kommt. Wir wechseln vom Laufen zum Gehen, erstens weil man nicht die ganze Kraft gleich verpulvern soll, zweitens weil der Pulk so dicht ist, dass beim Besten willen kein Durchkommen möglich ist. Im gemächlichen Tempo geht es die erste Stunde mal mehr mal weniger steil den Berg hoch, immer wieder mit Gehpausen versetzt. Nach den ersten 8 km verabschiede ich mich dann von Benno, da ich etwas schneller laufen möchte und inzwischen das Feld so ausgedünnt ist, dass man auch mal überholen kann. Also geht es für mich nun richtig los. Etwas schneller bin ich dann nach knapp zwei Stunden bei km 17, wo es schon den ersten Haferschleim gibt. Bananen sind was für Weicheier. Der echte Läufer nimmt Haferschleim zu sich. An der ersten Station gibt es die ungewürzte Variante. Naja, etwas klumpig aber was soll´s. Zwei Becher rein gekippt (man kann den Schleim trinken) und weiter geht es. Mein privates Versorgungsteam (bestehend aus meiner Frau, den Kindern, meinen Eltern und meiner Cousine mit Mann – denen an dieser Stelle noch mal herzlichen Dank gesagt sei) hat mir dann ermöglicht nach 20 km in aller Ruhe doch noch eine Banane zu essen. Irgendwie schmecken die eigenen Bananen viel besser, als die an den Verpflegungsstationen.
Weiter geht es, der Inselsberg ruft. Nach 25 km kann man sagen, man hat schon fast die höchste Stelle erreicht. Oder anders ausgedruckt, es geht nun nicht nur den Berg hoch, sondern auch mal runter. Leider geht es teilweise recht steil den Berg runter, dass man die Höhe nicht immer in Geschwindigkeit umsetzen kann.
Bei km 27 gibt es endlich wieder eine Verpflegungsstelle, wieder Haferschleim. Dieses mal mit Heidelbeeren. Neben den Klumpen vom Haferschleim sind nun auch noch ganze Heidelbeeren im Becher. Nur die Harten kommen in den Garten und wieder rein mit zwei Bechern von dem Zeug. Noch zwei Butterbrote gegessen und weiter geht es. An dem Schild von km 30 merke an meiner Zwischenzeit, dass ich die letzten 20 km recht schnell unterwegs war. Zu schnell? Es sind ja nur noch 42 km.
Diese Distanz kenne ich schon. Nur, dass ich schon drei Stunden unterwegs bin.
So allmählich merke ich, dass ich von der Geschwindigkeit in der passenden Gruppe bin, die, die schneller bei den Verpflegungsstationen sind überhole ich auf der Strecke wieder, nur, dass sie dann beim nächsten Stopp wieder an mir vorbei hetzen. Ich bin nicht auf der Flucht und gönne mir immer eine gemütliche Auszeit beim Essen fassen. Bei km 40 gibt es bei „der neuen Ausspanne“ den Haferschleim mit Vanille Geschmack. Einfach köstlich. Hier gönne ich mir gleich drei Becher. Dazu noch eine Zitrone mit Salz – ich nehme alles, was mir dargeboten wird. Was man hat, hat man. Es geht dann schön gemütlich erst mal den Berg rauf. Ich habe mir vorgenommen, immer wenn es zu steil wird zu gehen. Man verliert nicht viel Zeit und kommt entspannt oben an, um dann wieder mit neuem Elan weiter zu laufen. Auch hier immer das gleiche Bild. Es sind immer dieselben, die einem dann schnaufend am Berg überholen. Nach wenigen Metern im nicht so steilen ziehe ich dann frisch und munter davon.
Eine lange gerade Strecke zieht sich vor km 50 den Berg rauf. Endlich sieht man mal etwas von der schönen Landschaft. Die ganze Zeit ging es mehr oder weniger durch den Wald. Das hätte auch der Hunsrück sein können, Bäume rechts, Bäume links, Weg gerade aus. Aber nun kann ich auch mal die 900 Höhenmeter genießen, auf der wir uns befinden, es ich schon schön, wenn man über den Thüringer Wald schauen kann, ich meine sogar bis in die Rhön schauen zu können. Herrlich.
Solche Augenblicke entschädigen für die Strapazen. Es ist nicht mehr lange. Nach dem langen Anstieg geht es erst mal wieder bergab und die nächste Verpflegungsstation naht. Haferschleim mit Heidelbeeren. Die kenne ich schon. Soll ich noch mal zurück und mir doch besser einen Haferschleim mit Vanille mitbringen? Ich schenke mir dieses mal die klumpige Sache und verdrücke stattdessen lieber drei leckere Butterbrote. Wunderbar. Zitrone mit Salz gab es auch wieder. Wenn’s denn schön macht.
Km 54, der Beerberg naht. Es wird der letzte große Anstieg sein, der zu bewältigen ist. Mein Versorgungsteam sagt mir, dass es nur noch wenige km bis zum Beerberg seien, der letzte große Anstieg. Inzwischen freue ich mich über jeden Anstieg, denn dort darf ich gehen. Nach so vielen km hat auch die Einschätzung, ob denn eine Steigung ein Berg ist, oder nur ein kleiner Hügel schon deutlich geändert, selbst kleine Steigungen werden nun als willkommene Ausrede genommen, zu gehen. In fünf km kommt der Beerberg. Vor jedem Anstieg frage ich „ist das der Beerberg“ aber immer bekomme ich die Antwort, nee, es sind noch ein paar km bis dort hin. Es zieht sich fürchterlich lange hin. Aber irgendwann merke ich, dass ich an einem Schild vorbei gekommen bin „Gipfel nach links“. Der Beerberg ist mit seinen 973 m geschafft, und ich habe das noch nicht einmal mitbekommen. War das denn schon alles? Scheinbar. Km 62 ist nun auch geschafft. Läppische 10 km liegen vor mir, viele davon bergab.
Km 64. Es geht und geht nicht mehr voran. Die Schritte werden kleiner, die Lust wird geringer. Von wegen „von nun an geht es bergab“. Wofür mache ich dass denn. Es hilft alles nichts, umdrehen wäre nun auch blöd. Ich erinnere mich an mein Laufseminar vor ein paar Wochen. Dort habe ich gelernt, wie man effizient Laufen kann. Mein derzeitiger Laufstil hat damit nun nichts mehr gemeinsam. Aber wenn ich heute noch mal ins Ziel möchte, muss ich unbedingt lockerer werden. Ich beiße nochmal auf die Zähne – Kopf hoch, Schultern zurück, Fersen hoch und – lächeln.
Es wirkt. Es ist zwar zuerst fürchterlich anstrengend, aber nach ein paar hundert Metern habe ich wieder meine alte Spritzigkeit wieder. Ich merke, es läuft. Ich bin nun schon 7 Stunden 20 unterwegs. Noch wenige km, das könnte für mein geheimes Ziel reichen. Ich nutze die Gunst der Stunde und gebe bergab richtig Gas. Ich überhole wieder andere Läufer, es geht voran! Kopf hoch, Schultern zurück, Fersen hoch und – lächeln. Geht doch!
An der nächsten Verpflegungsstelle (km 68) gibt es nun endlich das Schwarzbier. Da habe ich mich schon so lange drauf gefreut. Als ich sehe, dass es im Becher serviert wird, und aus der Flasche kommt, habe ich mich entschieden, doch lieber zu meinem bekannten Wasser zu greifen, und meinen Magen zu schonen. Andere Läufer trinken das Schwarzbier, aber ich bin ja auch ein bekennender Schattenparker und kippe einen letzten Becher Wasser in mich rein.
7 Stunden 40. Ich komme an eine Wiese, weiter unten ist Schmiedefeld zu sehen. Die ersten Leute mit Kleiderbeuteln kommen mir entgegen. Haben die den Bus verpasst und laufen nun die ganze Strecke wieder zurück? Vielleicht sind es ja auch nur die Marathon-Läufer, die noch nicht ausgelastet sind. Naja, meine Zeit ist gut, und ich kämpfe mich Kurve für Kurve weiter. Dafür, dass ich den Ort schon sehen konnte, sind es viele Kurven. Endlich die Ortschaft ist zu sehen. Noch 5 Minuten zu den 8 Stunden. Packe ich es? Wieder ein Anstieg – dieses mal laufe ich mit kräftigen Schritten den Berg hoch, nur keine Blöße mehr zeigen. Es kann nicht mehr weit sein. Wie weit war der Lauf nochmal? Mehr als 70 wusste ich, 72, 72,4 oder gar 73. Egal so groß wird der Ort schon nicht sein. Dann plötzlich der Sportplatz, endlich das Ziel ist in Sicht. Jetzt nur nicht verlaufen. Super Marathon rechts, Marathon links. Ich fühle mich wie ein Held. Ich habe es gleich geschafft. Zeit ist egal. Ich finde meine Familie (die nach 8 Stunden Auto/Laufen/Stehen ähnliches geleistet hat) auf der Zielgeraden. Meine beiden kleinen Kinder wollen mit, die große Tochter hat keine Lust mit mir durchs Ziel zu laufen – verständlich. Also zwei von drei Kinder an die Hand genommen und die letzten hundert Meter voran. Silvan stolpert, ich kann ihn fest halten. Silvan beschwert sich, dass der Schuh drückt – da kann ich nun beim besten Willen keine Rücksicht mehr nehmen, noch 20 Meter. Dann im Ziel! 7:59:12. Da hätte ich ja doch noch den Schuh von Silvan richten können.
Ich bin überglücklich endlich im Ziel zu sein, meine Familie ist schnell zur Stelle und endlich kann ich mal wieder was trinken. Ich habe während dem Laufen sicherlich so viel getrunken, was eine durchschnittliche Kuh in der Woche zu sich nimmt, aber dennoch habe ich einen riesen Durst. Leider habe ich keinen Durst auf Schwarzbier – hier hätte ich noch einen Gutschein. Aber mein Magen hat mir signalisiert, dass er auf sowas eher nicht steht. Also noch ein paar Becher Wasser reingekippt, und schon geht es mir wieder gut.
Abends haben wir dann noch gemütlich bei meiner Cousine im Garten gesessen und ich habe die große Schüssel Salat verdrückt, die eigentlich für alle gedacht war, aber wenn man schon trinkt wie eine Kuh, dann darf man auch entsprechend viel Grünzeug verdrücken.
-Wolfgang
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